Ehrenamt als Karriereturbo? Ergebnisse der Studie Scan Your Skills im Ehrenamt (Bericht 1)

Ausgewählte Ergebnisse aus dem 1. Bericht von Joachim Lask & Juliane Rath (2023)

Ehrenamtliches Engagement ist oft mehr als nur eine gute Tat – es bietet auch eine großartige Chance, wertvolle berufliche Fähigkeiten zu entwickeln. Unsere neue Studie „Scan Your Skills im Ehrenamt“ zeigt, wie sich Ehrenamt auf die Entwicklung von Soft Skills wie Führung, Kommunikation und Agilität auswirkt. Besonders spannend: Frauen und Männer profitieren unterschiedlich stark von diesen Erfahrungen.

Aber wie genau hilft uns Ehrenamt im Beruf weiter? Und welche Fähigkeiten entwickeln wir dabei am meisten?


Wertvolle Skills durch Ehrenamt entwickeln

Unsere Studie, durchgeführt von Juliane Rath (Universität Würzburg) und Joachim E. Lask (WorkFamily-Institut), zeigt klare Ergebnisse: Insgesamt geben 85 % der Studienteilnehmenden an, mit der ehrenamtlichen Tätigkeit weitere Skills entwickelt zu haben (Abb. 1). Dabei sind es besonders Soft Skills wie Kommunikation, Organisation und Teamarbeit, die später im Beruf von Vorteil sind.

Abbildung 1: Prozentuale Verteilung zur Aussage „Bedeutsame Skills (weiter-)entwickelt“ und „Erwarte mit den Skills Vorteile im Beruf“ (Spillover-Erwartung; SOE).

Work-Family Enrichment: Wie Engagement in den Job einfließt

Laut der Work-Family Enrichment-Theorie von Greenhaus & Powell (2006) können Fähigkeiten, die in einem Lebensbereich (z. B. Ehrenamt) erworben werden, auch in einem anderen Bereich (z. B. Beruf) positive Auswirkungen haben. Unsere Ergebnisse bestätigen genau das: 70 % der Studienteilnehmenden erwarten, dass die im Ehrenamt erlernten Fähigkeiten ihre berufliche Leistung verbessern.


Geschlechterunterschiede – Wer profitiert mehr?

Ein besonders interessantes Ergebnis unserer Studie ist, dass Frauen stärker von den positiven Effekten des Ehrenamts profitieren als Männer. Während 90,91 % der Frauen bedeutsame Skills im Ehrenamt entwickeln, sind es bei den Männern nur 77,78 %. Auch in Bezug auf die Spillover-Erwartung (die Übertragung der Fähigkeiten in den Job) sehen Frauen deutlich mehr Potenzial: 79,55 % der Frauen im Vergleich zu 58,33 % der Männer (Abbildung 2).

Abbildung 2: Unterschiede zwischen Frauen (w; N = 44) und Männer (m; N = 36) in der Einschätzung zu Einzelaussagen der Spillover-Erwartung in den Job (SOEjob). Angaben in Prozent.

Dieser Unterschied könnte darauf zurückzuführen sein, dass Frauen im Ehrenamt oft in Rollen tätig sind, die Soft Skills erfordern, während Männer häufiger in technischen Bereichen arbeiten. Frauen übernehmen eher Führungsrollen oder koordinieren Teams, während Männer operativ tätig sind und formellere Lernmethoden bevorzugen (Ward & Yates, 2019).


Ehrenamt: Mehr als nur Engagement

Ehrenamt bietet nicht nur die Möglichkeit, Gutes zu tun, sondern kann auch zur beruflichen Weiterentwicklung beitragen. Besonders spannend ist, dass viele Ehrenamtliche dies zunächst nicht wahrnehmen, bis sie ihre Erfahrungen reflektieren. Auch bei den Teilnehmenden unserer Studie gab es viele Aha-Momente, als ihnen klar wurde, welche wertvollen Fähigkeiten sie durch ihr Engagement entwickelt haben.

Für viele ist das Ehrenamt eine Möglichkeit, sich in einer anderen Rolle zu erleben. Eine Architektin, die sonst am Schreibtisch oder auf Baustellen arbeitet, kann beispielsweise als Trainerin im Sportverein auftreten und so ihre Kommunikations- und Führungskompetenzen stärken – ohne den Mental Load des Berufs zu spüren.


Praktische Implikationen für Unternehmen

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Unternehmen das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitarbeitenden stärker anerkennen sollten. Viele der informell erworbenen Soft Skills sind in der Arbeitswelt von unschätzbarem Wert, und Arbeitgeber profitieren von Mitarbeitenden, die durch ihr Engagement in anderen Bereichen neue Fähigkeiten mitbringen.

Praktische Implikation: Mitarbeitende sollten ihre ehrenamtlich erworbenen Skills selbstbewusst im Beruf einbringen. Arbeitgeber können diesen Schatz an Fähigkeiten fördern, indem sie Reflexionsangebote schaffen und ehrenamtliches Engagement aktiv unterstützen.


Die Studie im Überblick

Die Studie „Scan Your Skills im Ehrenamt“ wurde zwischen dem 30. März und 19. Juni 2023 durchgeführt und umfasst 235 Teilnehmende, davon 44 Frauen (55 %) und 36 Männer (45 %). Alle Teilnehmenden waren berufstätig, die Mehrheit in einem Angestelltenverhältnis. Für die Auswertung ohne Reflexions-Intervention wurden die Daten von 80 Teilnehmenden verwendet.


Fazit: Ehrenamt ist nicht nur eine Bereicherung für die Gesellschaft – es ist auch eine Bereicherung für den Einzelnen und den Arbeitsplatz. Die informell erworbenen Skills sind nicht nur nützlich, sondern können einen echten Karriereturbo darstellen.


Literatur:

Greenhaus, J. H., & Powell, G. N. (2006). When work and family are allies: A theory of work-family enrichment. Academy of Management Review, 31(1), 72-92. https://doi.org/10.5465/amr.2006.19379625

Lask, J. E., & Rath, J. (2023). Ehrenamt ist ein effektiver Lernort für beruflich relevante Skills – Bericht 1 der Studie Scan Your Skills im Ehrenamt. https://doi.org/10.13140/RG.2.2.32594.16321 (download)

Ward, M., & Yates, D. (2019). Gender differences in learning approaches: Implications for work-based learning. Journal of Workplace Learning, 31(3), 162-177. https://doi.org/10.1108/JWL-01-2019-0003

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